Biografie
„Jedem modernen Ambiente eine typische Physiognomie zu verleihen”, gehörte zu den theoretisch griffig formulierten Zielen Flavio Polis.
Sein konkreter Beitrag zur ästhetischen Erneuerung italienischer Haushalte in den Nachkriegsjahren sind Gläser aus dickem Kristallglas in leuchtenden Farben, die heute zu den bekanntesten Klassikern der Muraneser Glaskunst gehören. Formale Parallelen zu Werken skandinavischer Glaskünstler sind oft gezogen worden, konkrete Vorbilder für Flavio Polis Modelle gibt es jedoch nicht. Die Italiener bewunderten Schweden wie Vicke Lindstrand für ihren meisterhaften Umgang mit farblosem Kristallglas, die Skandinavier ließen sich hingegen von der Leichtigkeit, der leggerezza und dem Farbverständnis der Südländer bezaubern. Die Ausstellungen der Biennalen von Venedig und die Mailänder Triennalen ermöglichten Anfang der fünfziger Jahre einen regen Austausch von Informationen, was zu einer gegenseitigen Beeinflussung der beiden Glaskunstzentren führte.
Vor allem in Schweden wurden die von Flavio Poli untersuchten Möglichkeiten in der Folgezeit fortentwickelt und in weniger anspruchsvollen Modellen einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Flavio Polis Ziel waren hingegen Gläser in der Qualität freier künstlerischer Plastiken für eine gehobene Klientel. Ausgangspunkt für sein kreatives Schaffen waren Fundstücke aus der Natur, wie zum Beispiel Muscheln. Die Oberflächen seiner streng stilisierten Gefäßformen mussten perfekt erscheinen, um eine maximale Wirkung zu erzielen und wurden daher oft nachträglich beschliffen und modelliert.
Über Flavio Polis Biographie ist bisher nur wenig geschrieben worden, obwohl er in den fünfziger Jahren zu den einflussreichsten Designern in Murano zählte. 1900 in Chioggia bei Venedig geboren, machte er eine Ausbildung als Keramiker, bevor er sich der Glaskunst zuwandte. Mut zur Erneuerung stellte er gleich bei seiner ersten Anstellung in der Firma von Libero Vitali und Giulio dall’Oglio I.V.A.M. (Industrie Vetri Artistici Murano) unter Beweis. Er bereicherte die traditionelle Produktpalette geblasener Gläser und Leuchten durch stilisierte Tierfiguren und klassizistische Aktfiguren. 1932 bis 1934 war er künstlerischer Mitarbeiter der Compagnia di Venezia e Murano. 1934 stieg Poli bei der 1933 neu gegründeten Manufaktur Vetreria e Soffieria Barovier Seguso & Ferro ein, 1937 wurde er auch Teilhaber der Firma, die seither unter Seguso Vetri d’Arte firmierte. Mit seinen Entwürfen, die von Archimede und Angelo Seguso handwerklich umgesetzt wurden, verhalf Falvio Poli der jungen Firma schnell zu großem Erfolg. Zuerst entwarf er stilisierte Kleinplastiken wie Frauen- und Tierfiguren, Mitte der dreißiger Jahre abgerundete Gefäßformen mit rauer Oberfläche, die Formen der fünfziger Jahre bereits vorwegnehmen. In den vierziger Jahren folgten großformatige Deckenbeleuchtungen aus waagerechten, amöbenförmigen Scheiben. In den fünfziger Jahren entwickelte Poli die Serie der Sommersi, für die er 1954 auf der Mailänder Triennale mit dem Compasso d’Oro ausgezeichnet wurde. Aufgrund der großen Resonanz wurden diese auch nach seinem Ausstieg aus der Firma im Jahr 1963 weiterhin produziert.
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Objekte von Flavio Poli